WEISSENHAUS Young Masters, fünfte Runde

Marius Deuer holt auf

Das Führungsduo zieht seine Kreise

Nach den indischen Tagen in der Schachabteilung von Schloss Weissenhaus hat jetzt das Hotelrestaurant die Tendenz aufgenommen. Ein “indischer Abend” bei Butter Chicken & Co. erwartete die Teilnehmer nach der fünften Runde. Neben einer Mahlzeit, die er in Chennai kaum besser bekommt, wird Sethuraman verdauen müssen, dass seine Siegesserie gestoppt ist.  

In der fünften Runde gelang es Christian Bauer, dem ehemaligen indischen Nationalspieler einen halben Punkt abzunehmen. Marius Deuer nutzte die Chance, mit einem Sieg über Christian Glöckler bis auf einen halben Punkt an den Spitzenreiter heranzurücken. Sethuraman und Deuer haben sich vier Runden vor Schluss ein wenig vom Feld abgesetzt. 

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Ausnahmetalente unter sich: Marius Deuer vs. Christian Glöckler. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy

Was zwischen Deuer und Glöckler als Diskussion um die “hängenden Bauern” anfing, eines der klassischen Themen der Schachstrategie, mündete schnell in eine offene, taktisch geprägte Feldschlacht. Beide Seite versuchten, ihre Kräfte gegen den gegnerischen König in Stellung zu bringen. 

Deuer gelang das wirkungsvoller, auch dank der schwarzfeldrigen Schwächen rund um Glöcklers König, sodass der GM-Kandidat gegen den IM-Kandidaten Angriff bekam. Und der wurde schließlich so stark, dass es Glöckler nicht mehr schaffte, das weiße Spiel einzudämmen. 

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Beide Seiten zielen auf den gegnerischen Königsflügel – mit dem Unterschied, dass der schwarze König an schwarzfeldrigen Schwächen laboriert.

Die Partie zwischen Sethuraman und Christian Bauer hatte das Potenzial, ebenso wild zu werden. Aber bevor der einstige Asienmeister dazu kam, aus Raumvorteil und Möglichkeiten gegen Bauers König etwas Substanzielles zu machen, gelang es dem langjährigen französischen Nationalspieler, das weiße Spiel zu neutralisieren. Nach einer Reihe von Abtäuschen stand ein ausgeglichenes Turmendspiel auf dem Brett, und die Kontrahenten schlossen Frieden. 

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Leonardo Costa hat gegen Kaido Kulaots schon zum zweiten Mal im Turnierverlauf einen sizilianischen Springer auf d5 geopfert – und damit den neunfachen estnischen Meister auf dem falschen Fuß erwischt. “Sehr unkomfortabel” habe er sich gefühlt, sagt Kulaots. Schließlich nahm er den Springer weg, damit sich zum schlechten Gefühl, der offenen Königsstellung und der mangelnden Koordination wenigstens ein materieller Mehrbesitz gesellt. 

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Mit 18.Ld4, 18.h4 oder 18.Lxg5 sofort auf den schwarzen König loszugehen, wäre am besten. 18.a4 ist auch sehr gut – außer Schwarz findet die einzige Aufstellung, die seinen Laden zusammenhält: 18…Tg8! gefolgt von …Kh8 und (oft) …Lg7. Kulaots fand dieses Manöver, das nur möglich war, weil 18.a4 Schwarz einen Zug Zeit gibt, die Lage rund um seinen König zu konsolidieren.

Costa hatte mehr als genug Kompensation für den Minusspringer, aber fand nicht den richtigen Plan, Kulaots Ruine beizukommen. Der Este wiederum fand die richtige Defensivaufstellung, die das Schlimmste verhindert. Nach und nach versiegte das weiße Spiel, während die schwarze Mehrfigur blieb. 

Kulaots freut sich über den ersten Partiegewinn im fünften Versuch. Ziele für alles Weitere will sich der 48-Jährige nicht stecken, aber erwartet, dass ihm dieser Erfolg Schub für einen Sprint auf der Zielgeraden des WEISSENHAUS Young Masters gibt. Er wolle jetzt eine Partie nach der anderen so gut wie möglich spielen. Kulaots hofft, dass der Kraft zehrende Modus seinen Gegenspielern mehr zusetzt als ihm. 

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Leonardo Costa hatte in seiner Eröffnungsküche ein giftiges Gebräu angerührt, aber Kaido Kulaots gelang trotzdem im fünften Versuch der erste Sieg. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy

Einen Sprint braucht auch Turnierfavorit Pavel Eljanov, will er bei 1,5 Zählern Rückstand auf Sethuraman noch ganz oben eingreifen. Mit Schwarz gegen einen betont solide agierenden Sune Berg Hansen war nicht mehr drin als ein halber Zähler. Im frühen Mittelspiel hätte eher Hansen ambitioniert vorgehen können, wollte aber gegen den elostärksten Spieler des Turniers keine Risiken eingehen. In einem ausgeglichenen Endspiel einigten sich die Kontrahenten nach 35 Zügen auf Remis. 

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Sie kamen in Frieden: Sune Berg Hansen und Pavel Eljanov. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy

Recht schnell vorbei war es auch zwischen Benedict Krause und Hussain Besou. Krause gelang es nicht, seinen Anzugs- in Stellungsvorteil umzumünzen. 31 Züge, remis. Nach der Begegnung trotzten Krause und Besou draußen der steifen Ostseebrise, um sich in eine Debatte über die Feinheiten der Caro-Kann-Abtauschvariante zu vertiefen. 

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Benedict Krause vermochte gegen Hussain Besous Caro-Kann nicht viel auszurichten. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy

Von Conrad Schormann

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