Jeden Tag zwei Partien. Logisch, dass irgendwann der Begriff “müde” fallen würde. Ausgesprochen hat ihn derjenige, der hellwach erscheint. “Müdigkeit wird für alle ein Faktor sein”, sagt Sethuraman mit Blick auf den weiteren Turnierverlauf. Sich selbst kann er damit nicht gemeint haben. Mit 2,5 Punkten aus 3 Partien führt der Inder als erster Spieler allein die Tabelle an. In der dritten Runde besiegte Sethuraman Kaido Kulaots.
Sethuraman hellwach und alleine vorn
Perfekter Tag für Sethuraman: morgens gewonnen, abends gewonnen, Spitzenreiter. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy
Sethuraman wünscht sich durchaus, zwischen den Partien und der Vorbereitung etwas mehr Zeit zu haben. Nicht zum Ausschlafen, auch nicht für Schach, sondern um sich umzuschauen und das Fünf-Sterne-Resort zu genießen. “Ein sehr spezieller Veranstaltungsort, einer der schönsten und hochwertigsten, an denen ich je gespielt habe. Ein Traum”, erklärt Sethuraman.
Ein Traum mit Ablenkpotenzial allerdings. Weil es in WEISSENHAUS so schön ist, weil der Ort zum Entspannen und Genießen einlädt, sei es für die Wettkämpfer umso schwieriger, den Fokus und die Intensität zu halten. “Alles ist perfekt. Etwas mehr Zeit, das auszukosten, wäre natürlich schön”, sagt Christian Bauer, und Sethuraman stimmt zu. Der Inder hat sich Urlaubsgefühle verboten, um auf dem Brett die bestmögliche Leistung bieten zu können.
Das funktioniert bislang sehr gut. In der dritten Runde in einem Najdorf-Sizilaner mit entgegengesetzten Rochaden war Kulaots drauf und dran, dem weißen König bedrohlich nahe zu kommen. Aber Sethuraman hielt seine Bastion stabil, und die erste Chance zu kontern nutzte er sogleich entscheidend. Nun führt der Inder als erster alleiniger Tabellenführer das Feld der zehn Schachmeister an.
Wenn Marius Deuer etwas spielt, in dem er sich sicher fühlt, hält ihn das nicht davon ab, das Brett anzuzünden. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy
Aus Sicht der deutschen Supertalente war die zentrale Drittrundenpartie leicht auszumachen: Marius Deuer gegen Leonardo Costa, eine Partie mit Geschichte. 1:6 gegen ihn habe es im direkten Vergleich gestanden, berichtet Deuer. “Gegen Leonardo tue ich mich psychologisch sehr schwer.” Für diese Begegnung hatte Deuer beschlossen, “den Teil meines Repertoires zu spielen, in dem ich mich am sichersten fühle”.
„Das hat Leo bestimmt gesehen“: Marius Deuer rechnete mit 31…Sh4+ 32.Kh2 Lf5 33.Txf7! Lxc2 34.Txg7+ mit Dauerschach – und wäre mit dem halben Punkt gegen seine schachliche Nemesis Leonardo Costa zufrieden gewesen. Costa versuchte 31…Sxf4+ 32.Kf3 Df1+, was zwar brandgefährlich aussieht, aber nicht recht funktioniert.
Was wiederum mit Sicherheit auf dem Brett wenig zu tun hatte. Die beiden Großmeisterkandidaten zettelten ein offenes Gefecht an, das beiden Seiten Gewinnchancen bot. Dann kam der 31. Zug, der eine hübsche Dauerschachabwicklung möglich machte. “Die hat Leonardo bestimmt gesehen.” Aber der Münchner in Diensten des Hamburger SK wollte mehr – und verrechnete sich. Nun gehört Deuer (Performance 2698!) zum Trio derjenigen, die mit zwei Zählern dem ersten alleinigen Tabellenführer im Nacken sitzen.
Anfangs fühlte es sich für Benedict Krause gar nicht an, als müsse er bergauf spielen, aber Christian Glöckler neutralisierte alle weißen Versuche sicher. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy
Christian Glöckler hat sich weiter stabilisiert. In der Eröffnung habe ihn Benedict Krause überrascht, habe die leichter zu spielendende Stellung erreicht, aber hätte laut Glöckler keine symmetrische Struktur zulassen dürfen. Es folgte ein ungefährdetes, beiderseits solides Remis. Mit nun 1,5 Punkten steht der Zwölfjährige im Soll hinsichtlich seines Ziels, Elo zu gewinnen.
“Der Eloschwächste im Feld zu sein, ist eine Superchance für mich”, sagt Christian Glöckler. Eine IM-Norm ist für ihn kein Faktor. Zwei davon hat er schon, eine braucht er zwar noch, aber die müsse in einem offenen Turnier erzielt werden. Und eine GM-Norm? “Das wird sehr schwierig”, sagt Glöckler lachend.
Optisch ein ungleiches Duell, auf dem Brett auch: Hussain Besou gegen Pavel Eljanov. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy
Turnierfavorit Pavel Eljanov hatte in den ersten beiden Runden manches versucht, aber noch nicht demonstrieren können, warum er mit knapp 2700 Elo der Favorit ist. Diese Demonstration hatte er sich für den Vergleich mit Hussain Besou aufgespart:
Eljanov teilt sich nun mit Marius Deuer und Christian Bauer den zweiten Platz mit zwei Punkten aus drei Partien. Der Franzose hatte durchblicken lassen, dass er optimistisch in seine Schwarzpartie der dritten Runde gegen Sune Berg Hansen geht. Die beiden Großmeister debattierten eine der ewigen Fragen des Schachs, nämlich die, ob ein vorgepreschter Freibauer stark oder schwach ist.
Bis nach d6 hatte Hansen seinen d-Bauern vorangetrieben – die Endstation und schließlich das Grab des vorwitzigen Gesellen. Mit Eroberung des Bauern hatte sich der gleichnamige Großmeister ein Endspiel mit Mehr-Bauer erkämpft. Das allerdings vermochte Hansen nach 58 Zügen ins remis zu führen.
Genau genommen hatte Sune Berg Hansen sogar zwei Bauern weniger, den auf dem Brett und den im Namen. Das hielt ihn nicht davon ab, sein Turmendspiel gegen Christian Bauer remis zu halten. | Foto: WEISSENHAUS Chess Academy